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... nicht nur Astronomen kämpfen gegen die Lichtverschmutzung !!!

 Nova Ein Beitrag von Prof. Dr. B. Bruderer von der Vogelwarte in Sempach  Nova



SCHWEIZERISCHE VOGELWARTE SEMPACH
STATION ORNITHOLOGIQUE SUISSE
STAZIONE ORNITOLOGICA SVIZZERA
CH-6204 SEMPACH

Tel.  +41 (0)41 462 97 00
Fax: +41 (0)41 462 97 10

 Vogelwarte Sempach

Störung nächtlich ziehender Vögel durch künstliche Lichtquellen

Künstliche Lichtquellen

Mit der Nutzung von Elektrizität zur Lichterzeugung hat eine Phase intensiver Lichtemissionen begonnen. Dabei wurde das Licht mehrheitlich im bodennahen Bereich genutzt. Was in bodenferne Luftschichten entwich, war primär "Abfall-Licht", das bei massivem Auftreten als "Lichtsmog" bezeichnet wird. Zur Zeit stehen wir am Beginn einer neuen Entwicklung, bei der Licht nicht auf die Beleuchtung bzw. Reklamewirkung am Boden ausgerichtet wird, sondern Lichtinformation himmelwärts gerichtet wird (Der Bund, 29.12.97). Da diese gegen den Himmel gerichteten Scheinwerfer in zunehmender Zahl auftreten, entstehen bedeutende Immissionen, die den Charakter einer eigentlichen "Lichtverschmutzung" annehmen können (Der Murtenbieter, 15.7.98).

Nächtlich ziehende Vögel

Die Mehrheit der Zugvögel, insbesondere diejenigen, die über die Sahara hinweg nach Afrika ziehen, sind nachts unterwegs. Alljährlich ziehen Milliarden von Vögeln, konzentriert in der ersten Nachthälfte und in den untersten 1000 m über Boden aus Europa nach Afrika und im Frühling wieder zurück. Der Nachtzug im Herbst beginnt bereits Ende Juli und nimmt erst gegen Ende November deutlich ab. Es gibt aber während des ganzen Winters Zugbewegungen, insbesondere von Wasservögeln. Der nächtliche Heimzug der Wasservögel, Stare, Feldlerchen und Drosseln setzt bereits im Februar wieder massiv ein; im April werden sie abgelöst durch Insektenfresser, die den Winter südlich der Sahara verbracht haben; die letzten Zugvögel ziehen anfangs Juni bei uns vorbei. Nachts ziehende Vögel orientieren sich unter anderem anhand der Sterne. Ein weiteres Hilfsmittel ist das Magnetfeld der Erde. Die Kombination dieser Orientierungsmittel ermöglichen es den Zugvögeln auch unter bedecktem Himmel geradlinig zu ziehen; sie ziehen aber wenn immer möglich die optische Orientierung vor.

Störung durch Licht

Es gibt zwei hauptsächliche Formen, in denen Licht störend auf Zugvögel wirkt. Die eine Form ist eine Attraktionswirkung bei schlechten Sichtverhältnissen, die andere eine Schreckreaktion beim Einfliegen in einen starken Lichtkegel.

a) Attraktionswirkung bei schlechten Sichtverhältnissen

Unter natürlichen Bedingungen sind Mond und Sterne die einzigen nächtlichen Lichtquellen. Wenn Vögel unter schlechten Sichtverhältnissen (z.B. in Dunst, Nebel oder in einer Wolkenschicht) dem Licht entgegen fliegen, kann ihnen dies helfen, durch eine Wolkendecke aufzusteigen.

Offenbar werden Vögel bei schlechter Sicht generell von Lichtquellen angezogen (Schüz 1971, Grundriss der Vogelzugskunde, Berlin). Weltbekannt sind die bei hoher Luftfeuchtigkeit auftretenden Massenkollisionen von Zugvögeln mit starken Scheinwerfern von Leuchttürmen, in vermindertem Masse auch mit Lichtern an Radio- und Fernsehtürmen. In der nebelreichen Nordsee sind auch die Gasflammen der Ölbohrtürme berüchtigt als Vogelfallen. Verschiedene Naturvölker (z.B. in Nordindien und in den Bergen Kenyas) nutzen dieses Verhalten und locken in Nebelnächten Vögel mit Fackeln an, um sie dann auf Leimruten oder mit Netzen zu fangen und dem Kochtopf zuzuführen. Weniger bekannt ist, dass auch der Lichtdom, der bei hoher Luftfeuchte über jeder Stadt entsteht, Zugvögel anzieht. Gerät ein Zugvogel in einen solchen Lichtdom hinein, ist es möglich, dass er ähnlich einem Insekt im Lichtschein einer Lampe nicht mehr herausfindet und im Extremfall nach stundenlangem Kreisflug zugrunde geht; viele finden in der zweiten Nachthälfte bei abnehmender Lichtimmision aus der Falle heraus oder suchen gegen Morgen erschöpft einen Rastplatz.

In der Schweiz befasste sich die Schweizerische Vogelwarte in den 1970-er Jahren mit dem Problem des Reklamescheinwerfers der Jungfraubahn in der Eiswand der Sphinx. Dieser gegen Norden gerichtete Scheinwerfer verursachte vor allem in Nebelnächten während des Herbstzuges den Tod von Tausenden von Zugvögeln. Auf Anraten der Vogelwarte wurde der Scheinwerfer in der Folge jeweils in Nächten mit Wolken auf oder unter der Scheinwerferhöhe ausgeschaltet. Bei späteren Anfragen verschiedener Bergstationen wurde jeweils der Rat erteilt, dass man wenn möglich auf entsprechende Scheinwerfer-Reklame verzichten sollte, mindestens aber eine analoge Regelung anwenden sollte wie beim Jungfrau-Scheinwerfer. Dabei wäre zu bedenken, dass rundum sichtbare Scheinwerfer auch im Frühling entsprechend zu regulieren wären.

b) Schreckreaktionen beim Einfliegen in starke Lichtkegel

Aufgrund der grossen Bedeutung des Gesichtssinnes im Leben der Vögel ist zu erwarten, dass plötzlich auftauchende starke Lichtreize auch oder gerade bei guten Sichtverhältnissen einen grossen Einfluss auf das Flugverhalten ziehender Vögel haben. Da jedoch keine verlässlichen wissenschaftlichen Daten dazu vorhanden waren, führte die Schweizerische Vogelwarte entsprechende Versuche durch. Die Ergebnisse sind in der Zeitschrift "Journal of Experimental Biology" erschienen.

Die Untersuchungen zeigen klar, dass die Vögel tatsächlich erhebliche Schreckreaktionen zeigen. Beim Einschalten des Scheinwerfers (lediglich 200 Watt, nicht 1000 und mehr Watt wie bei den Reklamescheinwerfern bzw. Skybeamern) wichen die Vögel bis zu 45° (im Durchschnitt 15°) von ihrer ursprünglichen Richtung ab, sie reduzierten ihre Geschwindigkeit und versuchten auch vertikal aus dem Strahl zu entweichen.

Massnahmen gegen Lichtimmissionen im Nachthimmel

Gesetzliche Grundlagen

Bundesgesetz über den Umweltschutz (vom 7.10.83, Stand Juli 96)

Art. 1 Zweck

1 Dieses Gesetz soll Menschen, Tiere und Pflanzen, ihre Lebensgemeinschaften und Lebensräume gegen schädliche oder lästige Einwirkungen schützen ......
2 Im Sinne der Vorsorge sind Einwirkungen, die schädlich oder lästig werden könnten, frühzeitig zu begrenzen.

Art. 6 Information und Beratung

Die Umweltschutzfachstellen empfehlen Massnahmen zur Verminderung der Umweltbelastung.

Art. 11 Grundsatz

1 Luftverunreinigung, Lärm, Erschütterungen und Strahlen werden durch Massnahmen bei der Quelle begrenzt (Emissionsbegrenzung).
2 Unabhängig von der bestehenden Umweltbelastung sind Emissionen im Rahmen der Vorsorge so weit zu begrenzen, als dies technisch und betrieblich möglich und wirtschaftlich tragbar ist.

Bundesgesetz über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel (vom 20.6.86)

Art. 2

4 Die Kantone sorgen für einen ausreichenden Schutz der wildlebenden Säugetiere und Vögel vor Störungen.

Da zur Zeit die Gemeinden für die Bewilligung von Scheinwerferanlagen (Skybeamer, Laser) zuständig sind und dabei die Berücksichtigung der entsprechenden Artikel des Umweltschutzgesetzes und des Jagdgesetzes noch keineswegs zur Selbstverständlichkeit geworden sind, muss mit Nachdruck auf die entsprechenden Artikel hingewiesen werden. Es ist offensichtlich, dass die zunehmenden Lichtimmissionen, insbesondere starke Scheinwerfer, welche die Ruhe des nächtlichen Himmels beeinträchtigen, für Zugvögel zu den schädlichen und für Menschen mindestens zu den lästigen Einwirkungen gehören und dass diese im Sinne der Vorsorge frühzeitig begrenzt werden müssen.

 

Wünsche an die zuständigen Stellen

Die Schweizerische Vogelwarte bittet alle zuständigen Stellen bei Bund, Kantonen und Gemeinden die notwendigen Schritte zu unternehmen, um den einschlägigen Artikeln in den Bundesgesetzen über Umweltschutz bzw. Jagd Nachachtung zu verschaffen und den Vollzug rasch und im Sinne der Vorsorge an die Hand zu nehmen.

Wir erwarten, dass die Umweltschutzfachstellen, die vorliegende Information den für Bewilligungen zuständigen Stellen in geeigneter Form zur Kenntnis bringen.

Wir erwarten, dass Bewilligung für Reklamescheinwerfer (Skybeamer, Laser etc.) nur äusserst restriktiv oder gar nicht mehr erteilt werden, da sie nicht einer Notwendigkeit entsprechen aber doch ein erhebliches Immissions-Potential enthalten.

 

Im Namen der Schweizerischen Vogelwarte

Prof. Dr. B. Bruderer

 

Literatur:
Bruderer, B., Peter, D. and Steuri, T. (1999): Behaviour of migrating birds exposed to X-band radar and a bright light beam. J. exp. Biol. 202, 1015-1022.

 

 Schreckreaktion beim Einfliegen in starke Lichtkegel



... und hier der Link zur Vogelwarte Sempach


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